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Aya war eine Sklavin und sie war glücklich. Nicht, dass sie Sklaverei für gerechtfertigt hielt, dass sie glaubte, es gäbe Menschen, die weniger wert wären als andere, die zu Besitztum degradiert wurden. Nein, es gab keine Rechtfertigung für Sklaverei. Das war Ayas Überzeugung, obwohl Ihre Familie seit Generationen ein Volk führte, das ebenso lang Sklaverei legitimierte. Aya hatte am eigenen Leibe spüren müssen, was es bedeutete, seiner Rechte als Mensch beraubt zu werden, denn als Mädchen war sie nie viel wert gewesen. So kam es auch, dass ihr Vater nicht gezögert hatte, nach einem langen Krieg und schwierigen Friedensverhandlungen Aya als Zeichen der persönlichen Wertschätzung an den Feldherrn der Gegenseite zu verschenken. Natürlich hatte er den Vermittlern verschwiegen, dass Aya sein eigen Fleisch und Blut, seine Tochter und damit eine Prinzessin war. Genauso, dass er auf die Gelegenheit gewartet hatte, die unerwünschte Tochter, deren Hochzeit ihn ein Vermögen gekostet hätte, politisch wirkungsvoll loszuwerden. Voll Angst war sie den fremden Männern in das Lager der Truppen gefolgt, nachdem ihre eigenen Sklavinnen sie gebadet und für ihren neuen Herrn geschmückt hatten. Nie würde sie den verdutzten Gesichtsausdruck vergessen, mit dem er sie angestarrt hatte, als seine Soldaten sie wie von ihrem Vater angewiesen vor ihm auf den Boden abgestellt und ihm erklärt hatten, dass sie ein Geschenk des Herrschers wäre. Leicht bekleidet mit Blumen und Bändern geschmückt hatten sie sie auf einer Sänfte hereingetragen. Voll Furcht hatte sie ihn angesehen, als er auf sie hinuntergestarrt und seine Miene sich von Verwirrung zu Wut gewandelt hatte.
„Er schenkt mir eine Frau?“, hatte er gezischt. „Er glaubt, er könnte den Schrecken, den er verbreitet hat, damit aus der Welt schaffen, dass er mir eine Sklavin schenkt? Bringt sie zurück!“
Er hatte sich von ihr abgewandt, wie sich ihr Vater und ihre Brüder immer von ihr abgewandt hatten. Ayas Herz war in diesem Moment stehen geblieben und Eiseskälte in ihre Glieder gefahren. Was würde geschehen, wenn er das Geschenk ihres Vaters nicht annahm? Was würde aus dem Frieden werden, ob der Beleidigung? Was würde mit ihr – dem verschmähten Geschenk – geschehen?
Seine Berater hatten sich aufgeregt um ihn gescharrt und auf ihn eingeredet. Doch all ihre Argumente konnten ihn nicht umstimmen, bis einer der Berater, ein älterer Mann, der sich das Geschehen unbeteiligt angesehen hatte, vortrat, sein Schwert zog und dem jungen Herrscher reichte.
„Dann, mein Herr, solltet Ihr sie hier und jetzt töten!“, hatte er emotionslos gesagt. „Wenn Ihr entschlossen seid, das Geschenk nicht anzunehmen, übergebt Ihr sie einem grausamen Schicksal.“ Das Gesicht des jungen Mannes hatte sich in blankes Entsetzen gewandelt. „Soll ich es für Euch tun?“, hatte der ältere Mann gefragt, sich zu ihr herumgedreht und sein Schwert erhoben, sie zu erschlagen.
„Nein!“ Er war vorgesprungen, hatte die Klinge mit seiner Hand umschlossen und sie gehalten, dass sein Berater Aya nicht töten konnte, was nie dessen Absicht gewesen war. Das Lächeln, das über das alte Gesicht ging, verriet es.
„Dann, mein Herr, nehmt das Geschenk an!“
Blut war die scharfe Klinge heruntergelaufen – sein Blut. Sie hatte sich – wie sie es ihr Leben lang gelernt hatte – mit zu Boden gerichteten Augen erhoben, seine Hand, die von der Klinge verletzt worden war, dass das Blut hervorquoll, ergriffen, ein Stück Stoff aus ihrer spärlichen Kleidung gerissen und die Wunde verbunden. Seine Finger hatten sich unter ihr Kinn gelegt und ihren Kopf gehoben, doch sie hatte nicht gewagt, ihn anzusehen.
„Wie heißt du?“, hatte er gefragt.
Von diesem Moment an hatte Aya angefangen, ihn zu lieben.