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Lulu
Lulu lag auf dem Bett den Kopf in den Nacken gelegt und zählte die Löcher in der Wand. Es waren genau fünfzehn Löcher. Egal wie oft sie zählte, es waren immer fünfzehn. Es kam auch keines dazu. Fünfzehn Löcher hatte diese Wand. Es waren kleine Löcher - nicht mal einen halben Millimeter Durchmesser. Sie waren auch nicht sehr tief, aber sie waren da. Ob jemals Nägel in den Löchern gesteckt hatten? Lulu versuchte, sich vorzustellen, wie die Wand wohl mit fünfzehn Nägeln aussah. Vielleicht noch mit Bildern? Dazu waren die Löcher zu eng beisammen. Vielleicht hatte dort auch nur eine Dartscheibe gehangen. Ja, da hatten bestimmt Dartpfeile gesteckt, die die Scheibe verfehlt hatten. Sie wandte den Blick von den Löchern ab, sah dem jungen Mann, der keuchend und zuckend über ihr hin und her wackelte in die Augen.
„Sag mal", begann sie, "sind die Löcher in der Wand von einer Dartscheibe?"
Er hielt in seiner Bewegung inne und stieg aus dem Bett. Sie kaute gelangweilt auf ihrem Kaugummi und sah ihm nach, als er mit seinen Sachen unter dem Arm den Raum verließ.
Der Schreibtisch
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Sie drehte sich in dem kleinen Raum. Es war ein ganz normaler Raum, nicht groß, aber auch keine Besenkammer. Er war leer. Am anderen Ende lag eine Tür. Hinter der Tür befanden sich ein weiterer Raum und ein Bad, das wusste sie, obgleich sie sie noch nicht gesehen hatte. Sie setzte zwei Schritte vorwärts. Ihre Schritte, obwohl sie kaum die Füße vom Boden hob, klackten auf dem Parkett. Ein schmales Fenster mit geschwungenem Rahmen ließ ein wenig Licht herein. Sie sah sich an einem Schreibtisch sitzen.
Es war Nacht.
In der Hand hielt sie einen Bleistift, den sie immer wieder schnell zwischen die Zähne steckte, um schnell ein paar Zeilen zu tippen. Eine kleine Nachttischlampe warf ihr Licht auf den Schreibtisch. Er stand direkt unter dem Fenster. Sie rückte ihre Brille auf der Nase zurecht. Immer wieder rutschte sie herunter, weil sie die Stirn kraus zog und der Rahmen so keinen Halt fand. Ein Becher Tee stand neben dem flimmernden Bildschirm. Sie grübelte und schrieb und tippte an dem Schreibtisch unter dem Fenster sitzend.
Eine rauchige Stimme riss sie aus der Nacht.
Sie drehte sich um und sah die alte, dicke Frau in dem Kittel an.
„Ja", sagte sie einsilbig.
Zum ersten Mal, seit sie sich begrüßt hatten, änderte sich der Gesichtsausdruck der alten Frau. Ihre Augen verloren den ausdruckslosen Glanz. Überraschung stand in ihrem Blick.
„Ja", wiederholte sie nachdrücklich. „Ich nehme die Wohnung."
„Aber Sie haben die anderen Zimmer nicht gesehen!"
"Egal!" Sie lächelte, wandte sich ab und freute sich über ihren Schreibtisch unter dem nächtlichen Fenster.
Der letzte Morgen
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Dichter Nebel umringt das Gemäuer
Die Festung hoch auf dem Hügel
Wirft ihre tiefen Schatten hinab ins Tal
Droht mit ewiger Herrschaft
Voll Furcht, Schrecken, Folter
Dürre Flügel schlagen durchs Geäst
Rote Augen blitzen im toten Wald
Die Boten, die Spione des Barons
Überwachen alles, was noch lebt
In dem Reich der schwarzen Macht
Sie sind überall und nirgends
Ihre grellen Stimmen
Treiben jedem Eiseskälte in die Glieder
„Der Baron!“, kreischen sie und lachen
„Der Baron hat sich eine Braut erwählt!“
Leises Schluchzen erfüllt die Nacht
Seufzen, Stöhnen, so schwer ist die Last
Das ist das Ende, der Anfang der Hölle
Deren Flammen auch das letzte Leben
Der Seelen verschlingen werden
Die Sonne enttarnt ihr warmes Gesicht
Vertreibt die dämonischen Spione der Nacht
Ruhe, Stille säubert die Luft
Von dem unheimlichen Getöse
Mit feuchten Augen blinzeln Menschen
In den großen, gelben Feuerball
Wohl wissend, die Zeiten sind vorbei
In denen Licht und Wärme hier regierten
Der Schatten der Hochzeit liegt
Wie der Schatten der Festung auf dem Land
Zum letzten Mal zieht das Licht seine Bahn
Bis es diesem Reich Lebewohl sagt
Vielleicht hierher nie zurückkehrt
Ich stehe auf dem Balkon
Verfolge die letzten Strahlen
Bis sie sich in der Schlucht verlieren
Meine Hand ruht auf dem Stein
Ich spüre das weiche Moos
Das die Festung schmückt
Dunkelheit verschmilzt mit dem Land
Ich lächle, eine Träne rinnt über mein Gesicht
Denn ich bin die Braut
Und der Baron ist mein Gemahl.
(inspiriert durch die Karte „Baron Sengir“ aus dem Trading-Card-Game Magic the Gathering - Edition Homelands)
Der Weg im Wald
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Ein kleiner Stein liegt mir zu Füßen. Ich betrachte ihn genau, bevor ich ihm einen Tritt verpasse, dass er raschelnd ins Laub fällt. Jeder Schritt, den ich vorwärtssetze, hinterläßt Spuren im Matsch. Mit einem zufriedenen Schmatzer bleiben sie zurück. Ich streichle raue, feuchte Rinde, trage ihre Erinnerung in meiner Hand. Der Wind lässt Zweige flüstern. Ich rieche ihn, den frischen Wind, der meine Lungen erfüllt. Sein stilles Lied pfeift in meinen Ohren. Ein Orchester aus Laub und Ästen und Zweigen, aus Gras und Wasser und leisen, flinken Pfoten begleitet ihn.
Ich bleibe stehen, lausche der Symphonie und denke an dich. Ich weiß, du erlebst es genau im gleichen Moment wie ich: das Leben in dem kleinen Königreich. Ich weiß, dass deine Schritte schmatzen wie meine, dass du den gleichen Abdruck in deiner Hand trägst, dass du im gleichen Augenblick deine Augen schließt, dem Orchester des Waldes lauschst, und dass du wie ich weinst. Du erlebst den Augenblick in der Ferne, ich hier. Doch ich verstehe dich. Ich verstehe in diesem Moment wieso! Zum ersten Mal bin ich sicher, dass dies der richtige Weg war. Der Weg im Wald, deinem kleinen Königreich. Und deshalb werden wir uns immer so nah sein wie in jenem Augenblick.
Mother Earth
(eines der wenigen englischen Gedichte, das ich während eines Norwegenurlaubs, inspiriert von der Schönheit des Landes, schrieb)
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Sitting on a bench made of rock
I am waiting for darkness
Feeling dizzy, hurting deep inside.
My soul is aching
While black clouds touch the peak of the hills
Sink slowly to the water’s roaring speed.
Mother Earth is lying in sleep
Right before me her bosom rises and falls
But I cannot see.
Her throat runs down miles and miles
Snow covers her milk white breasts
She is lying on her back
Her hands folded as if she was dead
Her legs I cannot see.
She is waiting for the time to rise
When she wakes up and moves
This world will die.
Living doomed I am thinking of death
Sitting on a bench made of rock
I am waiting for darkness
When dizzy clouds sink slowly
To the water’s roaring speed.
Die Überfrau
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Sie liegt auf dem Bett und starrt an die Decke. Grelle Punkte blitzen vor ihrem Auge wie ins Gehirn gebrannt.
Der Traum beginnt:
Es ist das rechte Haus, aus dessen Fenster das Böse sie beobachtet. Fahle Augen schielen aus tiefen Höhlen unentwegt hervor. Knittrige Haut legt sich hauchdünn und bleich über die scharfen Knochen des Schädels. Drahtiges Haar, grau wie alles an der Gestalt, schnürt sich zu einem Knoten am Hinterkopf. Es ist groß und dürr, das Böse. Es ist eine alte Frau. Sie weiß, dass sie es vernichten muss. Der erste Schuss fällt, das Böse verharrt am Fenster und mustert sie ausdruckslos. Der zweite Schuss, der dritte, der vierte.
Nun kniet sie in einem Boot und rudert. Das Böse liegt vor ihr - eigentlich tot. Ein hölzerner Pflock durchbohrt den Brustkorb. Sie hat ihn selbst durch die brüchigen Rippen getrieben, damit es stirbt, das Böse, und doch krallen sich knochige Finger um ihr Handgelenk. Sie wirft den Leichnam in den See, damit es untergeht, damit es verschwindet - das Böse.
Ein Traum ohne Angst, brutal und gerecht. Sie öffnet die Augen und lächelt starr, während sich kalte Schweißperlen auf ihrer Haut sammeln und wie ein Film auf ihrem Gesicht kleben.
Die Überfrau hat das Böse besiegt. Ihr Körper vibriert wie von Batterie betrieben. Sie liegt unbewegt auf dem Bett. Eine Puppe, bereit bespielt und dann lustlos zur Seite gelegt zu werden. Sie liegt auf dem Bett - allein!
Immer muss sie das Böse besiegen, denn niemand ahnt, dass auch sie Schmerz empfindet. Schummrige Dunkelheit benetzt ihre Augen. Der letzte Schweiß, die letzte Träne, bevor die Überfrau in Einsamkeit ertrinkt.
Frühling
(mein erster Versuch damals in der Schule,, ein Gedicht zu schreiben, nachdem wir Frühlingsgedichte durchgenommen hatten)
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Die Jahreszeit der Liebe,
Soll der Frühling sein,
Der Bäume junge Triebe,
Der Vögel Liedelein.
Grün glitzern die Wiesen,
Der Himmel strahlt blau,
Nichts kann uns verdrießen,
Denn nichts bleibt mehr grau.
Zu einfach scheint mir dieses Glück,
Besteht es nur aus schönen Tagen,
Zum Winter blicke ich zurück,
Zur Jahreszeit der Plagen.
Wenn kahle Bäume leise flüstern,
Der Wind es Tag und Nacht laut singt,
Die Vögel in den Nestern wispern,
Dass auch der Winter Liebe bringt,
So kann der Frühling nicht allein
Die Zeit des Glücks der Liebe sein!
Mittsommernacht
(Schreibübung: Drei zufällige Begriffe, eine zufällige Stimmung, zwanzig Minuten Schreibzeit -
meine Begriffe waren „Wärme“, „Grill“ und „letzte Erdbeeren“ - meine Stimmung „wehmütig“)
Er saß allein am Grill, nuckelte an seiner Flasche Bier und starrte in den goldroten Himmel. Es war ein seltsames Licht, nicht Tag, nicht Zwielicht, sondern irgendetwas dazwischen. Die Holzkohle knackte leise und kleine Funken hüpften munter in der Feuerschale empor. Seine Wangen glühten ob der Hitze, die ihm entgegenschlug. Seufzend steckte er den Rost in die Halterung und legte ein einsames Würstchen darauf. Da sollten zwei liegen, allerdings konnte er sich nicht dazu durchringen, ein weiteres aufzulegen. Er würde es nicht essen, würde dieses eine seine verkrampfte Kehle hinunterwürgen. Doch er hatte es geschworen.
„Versprich es mir!“, hatte sie eindringlich geflüstert. „Versprich mir, dass du es in Erinnerung an mich tun wirst!“
Warum war ihr das so wichtig gewesen? Seine Brust krampfte und Tränen sammelten sich in seinen Augen, trockneten, bevor sie seine Wangen herunterlaufen konnten. Er hob die Dose, die neben ihm auf dem frisch gemähten Gras lag, öffnete sie mit dem leisen Seufzer, den sie immer von sich gab, wenn er den Deckel abzog, und blickte auf die prallen Erdbeeren, darin. Es waren die letzten des Jahres. Danach würde es keine mehr für ihn geben – bis zum Beginn der nächsten Saison, das hatte er ihr versprochen. Er fischte eine mit Daumen und Zeigefinger heraus, prostete damit wie mit einer Flasche Bier in den Himmel, bevor er hineinbiss. Der Saft lief über seine Finger, durch seine Handfläche, tropfte auf den Boden. Er schloss die Augen und saugte an der Beere, wie er es immer tat. Jede einzelne würde er auf diese Art genießen, bis er sie alle verspeist hatte und das Grillwürstchen seine Aufmerksamkeit fordern würde.
„Für dich, mein Schatz!“, murmelte er mit vollem Mund.
Sie hätte gelacht, dass ihm der Saft das Kinn hinunterlief, hätte Vampirwitze gerissen und ihn abgeleckt. Doch sie war nicht da, würde nie wieder mit ihm diesen Abend feiern, die letzten Erdbeeren aussaugen und Würstchen grillen. Das tat er nun allein, jedes Jahr, in ihrem Gedenken.
„Ich liebe dich!“, flüsterte er, hob die letzte Erdbeere dem Himmel entgegen und ließ sie in seinen Mund fallen, während Tränen sein Gesicht herunterliefen. „Ich liebe dich!“, wiederholte er, blieb mit geschlossenen Augen vor dem Grill sitzen, dessen Hitze ihm nicht die Wärme schenken konnte, die er durch ihren Tod verloren hatte.
Jäger
(entstanden in einer Schreibübung während des Schreibcamps 2022 des Bookerfly Clubs))
Er blinzelte durch das Geäst, lauschte dem Regen, der in den Baumkronen raschelte, noch nicht bis ins Unterholz vordrang. „Unter Bäumen beginnt es fünf Minuten später zu regnen, dafür dauert ein Schauer zwanzig Minuten länger“, erklärte die Stimme seiner Mutter in seinem Kopf. Er spitzte aufmerksam die Ohren.
Leise Pfoten huschten an ihm vorbei, dünne Zweige knackten hier und da, verrieten den Pfad, den die Beute lief. Heute war ihm das egal, denn er wollte nicht jagen.
In der Ferne gluckste der Bach – noch, denn schon bald würde der Regen das Bett füllen und das Wasser würde rauschend alles mitreißen, das im Schlamm des Ufers keinen Halt fand.
Er sprang vor und lief. Instinktiv folgte er dem Weg, den er sich zuvor ausgemalt hatte, schlug Haken um knorrige Stämme, preschte durch Gebüsch. Kleine Steinchen pressten sich in seine Ballen, weiches Moos federte unter seinen schnellen Sprüngen. Sein eigenes Japsen sang im Duett mit den Blättern, die er in seinem Spurt mit sich riss. Dornen kämmten durch sein struppiges Fell, hinter ließen ein Kribbeln auf seiner Haut, wenn sie ihm kleine Büschel ausrissen.
Dort vorne konnte er sein Ziel durch die Bäume sehen – die Lichtung! Mit einem weiten Satz sprang aus dem Dickicht heraus und landete mit allen vieren im nassen Gras. Das Flattern tausender Flügel um ihn herum verriet ihm, dass eine Schar Vögel vor ihm hier gerastet hatte und nun hastig floh.
Er warf den Kopf in den Nacken und jaulte. Seine Knochen knackten, seine Haut kribbelte, als sich sein Fell zurückzog, und im nächsten Moment sanken seine Finger in den sumpfigen Boden und Regen trommelte auf seinen nackten Rücken. Langsam richtete er sich auf, hob das Gesicht gen Wolkendecke. Rinnsale flossen seine Wangen hinunter, seinen Hals, seine Brust, seinen ganzen Körper und sammelten sich unter seinen Füßen in einer matschigen Pfütze, die zwischen seine Zehen quitschte. Seine Hände öffneten sich, seine Arme streckten sich zur Seite aus, als wollte er den Wald umarmen.
Freiheit!
Nirgendwo fühlte er sich so frei wie hier inmitten seines Königreichs, wo er sich nicht verstecken musste, wo er sein konnte, wie er war – was er war.
In tiefen Zügen sog er den Duft von nassem Moos, Regen, modrigem Laub ein, während Tropfen wie eisige Nadeln auf seine Schultern prasselten.
Freiheit!
Plötzlich ertönte ein Schuss und ein brennender Schmerz erschütterte seine Brust. Ein lautloses Keuchen entrann seinen Lippen. Ein weiterer Schuss zerriss den Frieden der Lichtung, doch er hatte sich auf alle viere geworfen, Fell drängte aus seinen Poren seine Knochen zogen und zerrten ihn in die Gestalt des Wolfes. Ein tiefes Knurren vibrierte in seiner Brust, die die Schrotkörner schmerzhaft herausdrückte, dass sie wie der Regen in die Pfütze zu seinen Pfoten tropften.
Kein Silber! Gott lob, oder er wäre tot!
Wer auch immer auf ihn geschossen hatte, wusste nicht, was er getan hatte. Doch das spielte keine Rolle. Er war in sein Königreich eingedrungen und würde es nicht mehr verlassen. Hatte er sich selbst als den Jäger gewähnt, war er jetzt die Beute, denn der Wolf wollte Blut. Und er würde es sich holen.
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